Wawa Sonqo

Wawa Sonqo ist die Kinderkrippe von Corazones para Perú. Insgesamt finden hier 24 Kinder im Alter von einem bis drei Jahren jeden Morgen von montags bis freitags von 8 bis 15 Uhr einen Ort zum Spielen, Essen, „Aufbewahrt-Werden“ und Ganz-viel-Zuneigung-Bekommen. Obwohl ich nicht in diesem Projekt arbeite, durfte ich für einen Tag nach Wawa Sonqo mitkommen: Ich stieg zusammen mit den Wawa-Sonqo-Kindern aus Urubamba in den Bus, der auf dem Weg zurück nach Munaychay an Wawa Sonqo vorbeifährt. Einige Kinder waren noch traurig, sich von ihrer Mama zu trennen, andere stiegen ganz mutig ein und kuschelten sich an einen Freiwilligen oder schliefen einfach ein. In Wawa Sonqo warteten schon die Tías (span. Tante; Kindergärtnerinnen der 3 Gruppen) und nahmen die Kinder in Empfang.

Die ersten Heulanfälle wurden gekonnt in zuerst unsichere, dann ganz zuversichtliche Lächeln umgewandelt. Dann wurde gespielt. Flor, die Leiterin von Wawa Sonqo, erklärte mir, wie wichtig spielen für die körperliche und soziale Entwicklung der Kinder sei. Um Punkt neun Uhr gab es Frühstück: eine große Tasse Haferbrei. Mmmh! Ganz routiniert löffelte das eine schon etwas ältere Mädchen ihren Haferbrei. Andere waren unter einigem motivierendem Zureden und trotzigem Darauf-Bestehen zum Essen zu bewegen. Anderen wiederrum wurde von der Tía Essen in den Mund geschoben, was sie allerdings direkt wieder aussabberten. Doch zumindest etwas musste jeder essen.

Denn Unterernährung in den ersten Lebensjahren führt zu einer körperlichen und kognitiven Unterentwicklung, was wir auf jeden Fall verhindern wollen! Nach dem Frühstück gingen alle Kinder, Tías und Freiwilligen nach draußen in den Garten. Es war eine Freude für mich zu sehen, wie sich dort hingeschmissen, geklettert, gekabbelt und Ball gespielt wurde. Ich musste bestimmt 20 Portionen Grassuppe, die einige Kinder liebevoll zubereitet hatten, essen und mindestens 10 weitere aus meinem Gesicht und meinen Haaren wischen. Andere Kinder spielten und schmusten einfach mit den Tías. Besonders schön fand ich zu sehen, wie die anfangs schüchternen Kinder auch immer natürlicher spielten. Die Köchin von Wawa Sonqo brachte zwischendurch Obst für alle Kinder, danach wurde weitergespielt. Mit einigen wurde etwas sprechen geübt.

Ein neues Mädchen, das noch nicht die Regel kannte und regelmäßig anderen an den Haaren zog oder Spielsachen wegnahm, wurde immer wieder geduldig zurecht gewiesen. Zur Zeit macht Flor, die ausgebildete Psychologin ist, eine Evaluation aller Kinder hinsichtlich ihrer Entwicklung in den Bereichen: Körperliches, Kognitives, Soziales, Routinen. Diese Evaluation soll zeigen, in welchen Bereichen welches Kind besonders gefördert werden soll, damit Kinder in defizitären Bereichen, die wegen ihrer elterlichen Erziehung entstehen, aufholt.

Bei den Hausbesuchen bei den Familien oder Erzählungen von Elternteilen springen die Gründe dafür oft ins Auge. Armut führt oft zu einer ungenügenden Ernährung, das andauernde Auf-dem-Rücken-Tragen von Kindern behindert die Entwicklung koordinativer und Motorischer Fähigkeiten, Fehlverhalten der Eltern gegenüber anderen Familienmitgliedern inspiriert die Kinder zu asozialem Verhalten.

Der absolute Hammer war aber, als beim Frühstück ein Kind mit seinem Becher Haferbrei aufstand und „Salud!“ (dt. Prost!) rief. Insgesamt möchte die Kinderkrippe allerdings arme Eltern unterstützen, deren Familien auf den Verdienst beider Elternteile dringend angewiesen sind. Nach dem Spielen im Garten gingen alle Kinder zurück in die verschiedenen Esszimmer, wo schon eine Viertelforelle mit Reis und Gemüse auf die Kinder wartete. Da das Toben im Garten alle erschöpft hatte, wurde das Mittagessen mit viel größerem Appetit gegessen. Danach gingen die Kinder in die Schlafräume, in denen sie so lange gestreichelt wurden oder gesungen wurde, bis alle schliefen. Um drei Uhr nachmittags schließt Wawa Sonqo und die Eltern müssen ihre Kinder abholen.

Konrad Reichel