Bericht in der Taunus Zeitung

„Munaychay“ - den Namen dieses Kinderdorfs in den peruanischen Anden hatte unsere Mitarbeiterin Nora Geis seit frühester Jugend im Kopf. Einmal wollte sie da hin, einmal wollte sie sehen, was der Königsteiner Dieter Arnold (gest.) mit seinem Verein „Herzen für eine Neue Welt“ im Heiligen Tal der Inka geschaffen hat. Gemeinsam mit ihrer Mutter Petra hat sich das Königsteiner Burgfräulein von 2014 diesen Wunsch jetzt erfüllt. Über ihre Eindrücke vom anderen Ende der Welt berichtet sie heute und morgen in unserer Zeitung.

70 Kinder schauen mich und meine Mutter neugierig und freundlich an. Die Jungen und Mädchen im Alter zwischen drei und 17 Jahren halten ein selbstgemaltes Schild hoch. Es ist mit Fotos beklebt und in großen Buchstaben steht „Gracias“ darauf. Zwei der größeren Kinder halten Blumenkränze aus Rosen, Hibiskus und anderen Blumen in der Hand.

Wir werden vorgestellt: „Das sind Petra und Nora aus Deutschland. Sie unterstützen unser Projekt schon lange und möchten euch heute besuchen.“ Im Chor rufen die Kinder „Bienvenidas - Willkommen“. Und willkommen fühlen sich meine Mutter und ich an diesem ganz besonderen Ort sofort. Nach zwei Wochen, in denen wir nun gemeinsam in Peru auf den Spuren der Inkas unterwegs waren, haben wir uns für das Ende unserer Tour etwas Besonderes aufgespart. Etwas, das Tausende Kilometer weg ist von unserem Zuhause im Taunus, und das uns doch schon so lange so vertraut ist, obwohl wir es bis zu diesem Tag nur von Bildern und Erzählungen kannten.
Heute sehen wir, was der Königsteiner Dr. Dieter Arnold mit seinem Verein „Herzen für eine Neue Welt“ geschaffen hat. Und wir erkennen schnell, dass Fotos und Worte dem nur schwer gerecht werden, was hier im Heiligen Tal der Inka in den vergangenen 26 Jahren entstanden ist.

1998 hatte Arnold dort den Grundstein für „Munaychay“ gelegt, um Kindern ohne Familie und ohne Zukunft ein liebevolles Zuhause und eine Chance auf ein besseres Leben zu geben.

Liebevoller Empfang
So wie auch den Mädchen und Jungen, die uns bei unserem Besuch begrüßen. Die beiden Jugendlichen mit den Blumenkränzen sind ein bisschen aufgeregt. Sie bedanken sich herzlich, dass wir heute hier sind, und freuen sich, uns kennenzulernen.

So einen liebevollen Empfang hatten wir wirklich nicht erwartet. Es rührt und berührt so tief, dass ich erst einmal ein paar Tränen trocknen muss, bevor ich mich umschauen kann.
Die Häuser des Kinderdorfs sind in freundlichem Orange gestrichen. Eingerahmt von den mächtigen Gipfeln der Anden und einer Mauer mit einem großen Tor, durch das auch wir gekommen sind, ist hier eine ganz eigene Welt entstanden.

Eine Welt, in die von der Provinzhauptstadt Urubamba aus eine sehr schmale, staubige und holprige Straße führt.
Dem Fahrer des kleinen Busses, der uns gemeinsam mit Rossina Estrada, der Leiterin des Projekts, in Urubamba abgeholt hat, macht das nichts aus. Er kennt die Strecke. Jeden Morgen bringt er die Kinder in die Schule und holt sie wieder ab. Trotzdem hoffe ich, dass uns niemand entgegenkommt. Das könnte sonst eng werden. Die Fahrt nach Munaychay dauert eine knappe halbe Stunde. Hinter dem großen Tor empfängt ein Schild mit den Worten „Bienvenidos“ die Besucher.

Darunter stehen die Worte „Liebe, Ehrlichkeit, Verantwortung, Freundschaft, Respekt, Solidarität und Beharrlichkeit“. Auf diese Werte und einen geregelten Alltag wird in Munaychay sehr geachtet.
Es gibt sieben Wohnhäuser im Kinderdorf. In jedem leben zehn Kinder gemeinsam mit ihrer „Tia“ (Tante), der Hausmutter. Sie teilen sich zu zweit oder dritt ein Zimmer, essen und spielen gemeinsam. Auch Geburtstage und Feste werden zusammen im Haus gefeiert.

Jovita ist bereits seit fast zehn Jahren Hausmutter im Dorf. Sie hat schon viele Kinder begleitet und ihnen ein Zuhause gegeben. Die Tia erzählt von einem kleinen Jungen, der hier in Munaychay zum ersten Mal in seinem Leben Weihnachten feierte. Seine Augen strahlten vor Freude über den Weihnachtsbaum, die Dekoration, aber natürlich vor allem auch über sein Geschenk.

Freude, Geborgenheit, Zuneigung - es sind Gefühle, die den meisten Mädchen und Jungen vor ihrem Einzug in Munaychay fremd sein dürften. Sie kommen aus zerrütteten Familie, sind nicht selten Halb- oder Vollwaisen. Und auch wenn beide Elternteile noch am Leben sein sollten, heißt das nicht, dass sie auch für die Kinder da sind. Väter machen sich aus dem Staub, Mütter sind überfordert, nicht selten sind es die Großmütter, die dann einspringen müssen - oder eben die „Herzen für eine Neue Welt“.

Auf dem Gelände des Kinderdorfs wird Mais und einiges mehr angebaut, laufen Hühner über die Wege, ein Klettergerüst lädt zum Toben ein. Es ist ein kleines Paradies und ein großes Vermächtnis, das nach Dieter Arnolds Tod (2014) von den Verantwortlichen, Mitgliedern und Förderern des Vereins mit sehr viel Herz in der neuen Welt hochgehalten wird.

Der Zauberer der „Herzen“
Wann ich selbst das erste Mal von „Munaychay“ gehört habe? Ich war noch ein Kind. Und es hatte für mich schon damals etwas Magisches. Was sicher auch damit zusammenhing, dass der Mann, der mir davon erzählte, ein Zauberer und Freund meines Vaters war. In seiner Paraderolle des „Don Futschikato“ trat Dieter Arnold damals bei meinem Kindergeburtstag auf. Mit seinem breitkrempigen Hut auf dem Kopf und einem Poncho um die Schultern verzauberte er uns Kinder und sammelte Spenden für sein Projekt in den Anden. So wie er das auch bei vielen anderen Gelegenheiten tat. Später dann besuchte ich die Peru-Abende des Vereins und half sogar im Laden der „Herzen“ in Königstein aus. „Munaychay“ war immer irgendwie da, aber doch irgendwie nicht greifbar.
Umso nachhaltiger sind die Eindrücke, die ich jetzt bei meinem Besuch aufnehme. Was mir gleich auffällt: Señor Dieter ist hier nach wie vor und überall präsent.

Sowohl im Büro des Vereins in Urubamba wie auch im Kinderdorf selbst hängen Bilder von ihm an den Wänden. Zum Teil liebevoll dekoriert ist der Gründer so immer noch mitten drin im Leben von Munaychay.

Teil II
„Munaychay“ - den Namen dieses Kinderdorfs in den peruanischen Anden hatte unsere Mitarbeiterin Nora Geis seit frühester Jugend im Kopf. Einmal wollte sie sehen, was der Königsteiner Dieter Arnold (gest.) mit seinem Verein „Herzen für eine Neue Welt“ im Heiligen Tal der Inka geschaffen hat. Gemeinsam mit ihrer Mutter Petra hat sie sich diesen Wunsch jetzt erfüllt. Nach dem gestrigen Auftakt berichtet sie heute abschließend über ihre Eindrücke vom anderen Ende der Welt.

Samstags ist der Kreativtag in Munaychay. Es wird getöpfert, gewebt, musiziert, gemalt und Schach gespielt. Und wir sind mittendrin, werden durch alle Räume geführt und dürfen alles ausprobieren. Nach ein paar ungeschickten Töpfer-Versuchen überlasse ich den Ton schnell wieder der kleinen Gruppe von Kindern. Überaus geschickt formen die Mädchen und Jungen den Ton und zaubern daraus kleine Schüsseln, die später noch bemalt werden.
Für einen Einsatz in der Küche des Kinderdorfes wären die Gefäße allerdings ein paar Nummern zu klein.
Hier steht die Köchin auf einem Schemel, um überhaupt in den riesigen Topf blicken zu können. Sie bereitet gerade das Mittagessen vor, das die Kinder gemeinsam mit ihrer Tia im Wohnhaus essen. Dafür werden zwölf Kilo Reis gekocht, Fisch gebraten und Gemüse geschnippelt.

Die Kinder erleben hier feste Strukturen, Zusammenhalt und Unterstützung in verschiedenen Formen. Sei es durch Hausaufgabenhilfe, Ausprobieren neuer Hobbys aber auch durch psychologische Betreuung, die jedes Kind erhält. Die Kinder, die hier leben, hatten einen schwierigen Start ins Leben. Sie haben Gewalt erfahren, ihre Eltern verloren oder konnten nicht gut versorgt werden. Nun haben sie in Munaychay doch noch die Möglichkeit behütet und mit viel Liebe aufzuwachsen. Rossina Estrada, die Leiterin des Dorfs, träumt davon, eines Tages in Munaychay eine eigene Schule zu haben. Stolz zeigt sie uns das neue Gebäude mit PC-Raum, Mathe-Nachhilfe sowie das naturwissenschaftliche Labor. Das wirkt besser ausgestattet als die Bio-Räume zu meiner Schulzeit. Auch der überdachte Sportplatz ist neu.

Die Leiterin erzählt uns, dass sie das Kinderdorf 2019 mit WLAN und Computern ausgestattet haben, sodass sie in den zwei Jahren, in denen aufgrund der Corona-Pandemie Kinder in Peru nicht in die Schule gehen konnten, dank der guten Ausstattung dennoch einen geregelten Schulalltag hatten.

Auch der Lockdown traf die Kinder auf dem Grundstück mit Spielplatz, Sportgelände und in einer großen Gemeinschaft nicht so schlimm wie andere Kinder in dem Andenstaat.

Das Engagement des Königsteiner Vereins „Herzen für eine Neue Welt“ beschränkt sich allerdings nicht nur darauf, Kindern die Aussicht auf ein besseres Leben zu eröffnen. Schon dem Gründer des Projektes, Dr. Dieter Arnold, war es wichtig, Munaychay möglichst autark aufzustellen. Ein Ziel, das auch seine Nachfolger im Verein weiterverfolgen.

Gleich gegenüber von Munaychay liegt zum Beispiel Santa Rosa, das Agrikulturprojekt des Vereins. Hier werden verschiedene Gemüse und Früchte angebaut sowie Rosen, Honig und Tee. Die Ernte wird auf umliegenden Märkten verkauft. Außerdem gibt es eine Schreinerei in der, wie auch in der Landwirtschaft, die Kinder und Jugendlichen mit anpacken und lernen können.

So wichtig die erwirtschafteten Erträge für Munaychay sind - ohne die Hilfe aus Deutschland geht es nicht und wird es auch in Zukunft kaum gehen. Das Projekt finanziert sich im besonderen Maße über Spenden und Patenschaften. Allerdings haben die Corona-Pandemie und die folgende Ukraine-Krise auch hier ihre Spuren hinterlassen. In den vergangenen Jahren, in denen sich vieles auf die Situation hierzulande konzentrierte, geriet auch Munaychay etwas aus dem Fokus. Momentan haben mehrere Kinder keinen Paten in Deutschland.
Wer eine Patenschaft übernehmen oder die Königsteiner Herzen auf andere Weise unterstützen möchte, kann sich online unter www.herzenhelfen.de oder im Peru-Laden, Hauptstraße 21a informieren. ng

Ein neuer Bus soll schnellstmöglich anrollen – Spendenaktion läuft
Lange hat der große, blaue Bus der „Herzen“ treu seinen Dienst versehen, ist er täglich über die staubige wie ruckelige Piste gependelt, um die Mädchen und Jungen des Kinderdorfs Munaychay zu den Schulen im Umfeld von Urubamba und wieder zurück zu bringen. Damit allerdings ist es jetzt vorbei. Der alte Weggefährte hat endgültig die Reifen gestreckt, eine Reparatur ist nicht möglich.

„Zwei Jahre lang konnten unsere Kinder durch die Pandemie nicht die Schule besuchen und jetzt, wo sie endlich den Unterricht in ihren Schulen wahrnehmen können, ist unser Bus kaputt gegangen“, skizziert Estrada Kcucho in einer Mitteilung des Vereins „Herzen für eine Neue Welt“ die Herausforderungen, die der Defekt mit sich bringt.
Kcucho ist die Direktorin des peruanischen Partnervereins der „Herzen“ und war mit ihren Mitstreitern gezwungen, schnell eine provisorische Lösung aufzusetzen.

„Die Kinder werden aktuell mit unserem Kleintransporter, den wir eigentlich für unsere Gesundheitskampagnen und Schulspeisungsprogramme benötigen, in die Schulen gebracht“, unterstreicht die Direktorin verbunden mit dem Hinweis auf den großen logistischen Aufwand, den dieses Provisorium zur Folge habe. Da nicht alle Kinder auf einmal in die Schulen gebracht werden könnten, müsse der Transporter bis zu acht Mal morgens runter in die Stadt fahren.

Viele Kinder seien über eine Stunde zu früh an den Schulen, nachmittags wiederum müssten viele von ihnen in den Büros des Vereins in der Stadt Mittagessen, da sie zu spät zu den Mahlzeiten im Kinderdorf ankommen würden. Kcucho: „Es ist für uns alle eine sehr schwierige Situation. Zwischen den Fahrten müssen wir unsere reguläre Arbeit weiterverfolgen und den Transporter für unsere Kampagnen nutzen.“ Abgesehen vom hohen zeitlichen Aufwand gehen die täglich bis zu 16 Fahrten an die Substanz des Transporters und ins Geld. Auch in Peru sind die Benzinpreise gestiegen. Um hier möglichst bald Abhilfe schaffen zu können, haben die „Herzen“ noch vor Weihnachten eine Spendenaktion gestartet. Erste Spenden haben den Verein auch schon erreicht. Zuletzt fehlten aber immer noch 35 000 Euro, um einen neuen Bus finanzieren zu können. Wer hierzu beitragen möchte, kann eine Spende unter dem Betreff „Weihnachtsbus“ auf folgendes Konto spenden: Deutsche Bank, IBAN: DE55 5007 0024 0472 2237 00, BIC: DEUTDEDBFRA. red